Meldungen

Entwicklung und Erprobung eines digitalen "Dorfhelfer-Kanals" im Kreis Lippe

DorfFunk-Ausweitung in Lügde - Engagierte aus den Ortsteilen gesucht

Der DorfFunk, als digitale Kommunikationszentrale des Kreises Lippe, wurde im Förderprojekt Smart Country Side (2016-2019) mit Hilfe zahlreicher Impulse engagierter Bürgerinnen und Bürger entwickelt und in zehn Modellorten im Kreis Lippe implementiert. Seither stoßen immer mehr Städte und Gemeinden im Kreis Lippe zur Gemeinschaft der „digitalen Dörfer“ hinzu und nutzen die Kombination aus Dorfwebseite und dazugehöriger App zur Vernetzung innerhalb ihres Wohnortes und mit Nachbargemeinden und -städten. Der DorfFunk ist ein digitaler Ort für Austausch und Kommunikation, um Gemeinschaft auch in Zeiten räumlicher Distanz zu erleben.

Im Rahmen des geförderten Verbundprojekts work & care entstand die Idee, das soziale Miteinander und die gegenseitige Hilfe im Dorf zugunsten hilfesuchender, beispielsweise älterer oder pflegebedürftiger Menschen, im DorfFunk zu thematisieren und den digitalen Kanal um einen neuen Bestandteil zu ergänzen. Immer mehr Menschen kümmern sich im Rahmen einer pflegenahen Tätigkeit um Verwandte oder Freunde und können durch nachbarschaftliche Hilfestrukturen unterstützt werden.

So wurde der digitale Dorfhelfer-Kanal „Hilf mit“, der das Thema Pflege und gegenseitige Unterstützung in der Nachbarschaft fokussiert, als neue Funktion in der DorfFunk-App umgesetzt. Er verfolgt die Zielsetzung, Hilfesuchende und engagierte Bürgerinnen und Bürger digital und wohnortnah miteinander zu vernetzen. Der Kanal „Hilf mit“ adressiert pflegebedürftige oder ältere Menschen und ihre Angehörigen, steht aber überdies für nachbarschaftliche Unterstützung aller Art. Hilfe beim Rasenmähen oder die wohnortnahe Suche nach einem neuen Nachhilfelehrer können im Kanal „Hilf mit“ genauso platziert werden, wie das Angebot einer Einkaufshilfe für ältere oder pflegebedürftige Menschen.

Ausgangslage

Die Zahl pflegebedürftiger Menschen steigt. Alleine in Deutschland sind über 4,1 Millionen Menschen pflegebedürftig. Etwa 80 % der Betroffenen werden im häuslichen Umfeld, zum großen Teil durch Angehörige, versorgt (Statistisches Bundesamt, 2020). Als wichtigstes Entlastungsinstrument häuslicher Pflege gilt die Inanspruchnahme von Leistungen der sozialen oder privaten Pflegeversicherung. Zum Ende des Jahres 2019 bezogen mehr als 3.141.000 Menschen ambulante Leistungen. Im Vergleich lag der Anteil stationärer Leistungen bei etwa 858.000 (BMG, 2021). 2,5 Millionen Menschen gehen neben der Angehörigenpflege einer Erwerbstätigkeit nach (BMFSFJ 2020). Der demographische Trend der alternden Gesellschaft begünstigt den jährlichen Anstieg der Zahlen. Im Resümee ergibt sich die Relevanz einerseits

  •     pflegende Angehörige zu entlasten, um den Fortbestand informeller Pflegearrangements zu sichern

und andererseits

  •     die Chancen der Digitalisierung zu nutzen, um ältere Bürgerinnen und Bürgern Partizipation am öffentlichen Leben zu ermöglichen und ihre Selbstständigkeit zu erhalten

Arbeitgeber sind gefragt, im Rahmen einer unterstützenden Personalpolitik Rahmenbedingungen zu schaffen, die die Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege begünstigen, um so die häusliche Pflege zu unterstützen. Doch abgesehen von dieser betrieblichen Sensibilisierung können und müssen weitere entlastende Maßnahmen fokussiert werden –  Maßnahmen, die direkten Einfluss auf alltägliche Herausforderungen älterer und pflegebedürftiger Menschen ausüben und ihre Independenz stärken.

Eine besonders flexible Art von Unterstützungsleistung bietet die Nachbarschaftshilfe. Nachbarschaftshilfe ist ein traditionelles Feld bürgerschaftlichen Engagements und bezieht sich überwiegend auf Bevölkerungsgruppen mit Unterstützungsbedarf, wie ältere oder pflegebedürftige Menschen (BMFSFJ, 2021). Durch die Corona-Pandemie wurden viele kurzfristige Initiativen ins Leben gerufen, die insbesondere sozial isolierten Personengruppen Alltagsunterstützung boten. Beispiele sind Einkaufsdienste von Studierenden für Seniorinnen und Senioren oder die Begleitung und Unterstützung bei der Inanspruchnahme der Corona-Schutzimpfung. Viele dieser Maßnahmen wurden ausschließlich vorrübergehend angeboten, zumal der Zugang der Betroffenen zu der Koordinierung der Hilfsangebote nicht immer gesichert war.

Doch auch außerhalb von Szenarien eines „Lockdowns“ bedarf der Alltag von älteren oder pflegebedürftigen Menschen Unterstützung, die nicht ausschließlich durch Familienmitglieder oder ambulante Pflegedienste erbracht werden kann. Die Digitalisierung ist ein gutes Mittel, um das Miteinander im Dorf und die Teilhabe aller Bewohner zu stärken. Es sollen keine virtuellen Realitäten geschaffen werden, sondern die direkte nachbarschaftliche Kommunikation, das füreinander Sorgen sowie das Miteinander von Alt und Jung im Dorf gefördert werden. Das sind die wichtigen Faktoren, die einen Ort im Kern zusammenhalten. So sind soziale Räume, d. h. Treffpunkte der Menschen vor Ort besonders wichtig. Hier können digitale Informations- und Kommunikationslösungen helfen, alle die zeit- und raumunabhängig zu erreichen, die mobil unterwegs sind, Hilfe im Alltag benötigen, sich mit Nachbarn vernetzen möchten, etwas verleihen können oder mehr über das aktive Dorfleben erfahren wollen. Es muss das Ziel sein, das Potential nachbarschaftlicher Hilfestrukturen auszubauen, zu stärken und schließlich zu verstetigen, um gesellschaftliche Teilhabe, Kompetenzerweiterung und Selbstwirksamkeit zu unterstützen. In diesem Beitrag wird das Potential der digital koordinierten Nachbarschaftshilfe mittels des digitalen Dorfhelferkanals „Hilf mit“ im DorfFunk im Kreis Lippe dargestellt.

Einordnung in den Projektkontext von work & care

Die Entwicklung eines digitalen Dorfhelfer-Kanals in der digitalen Kommunikationsplattform „DorfFunk“ im Kreis Lippe wird im Rahmen des Förderprojekts work & care umgesetzt.

Das Projekt work & care fokussiert aktuelle pflegebezogenen Problemstellungen. Konkret befasst sich work & care mit der Entwicklung neuer Unterstützungsformen für kleine und mittelständische Unternehmen (KMU) und pflegende Erwerbstätige in der Region Ostwestfalen-Lippe (OWL). Durch Verbindung sozialer und technischer Innovationen werden KMU bei der Bewältigung der durch demografischen Entwicklungen begünstigten Zunahme pflegender Erwerbstätiger unterstützt. In der Projektlaufzeit von November 2019 bis November 2022 befasst sich das Team Zukunftsprojekte des Kreises Lippe in Kooperation mit den Projektverbundpartnern und unter Projektleitung des Zentrums für Innovation in der Gesundheitswirtschaft OWL (ZIG) mit betrieblichen, überbetrieblichen, technisch-innovativen und nachbarschaftlich-ehrenamtlichen Lösungen zur besseren Vereinbarkeit von Berufstätigkeit und Pflege. work & care wird im Rahmen des Europäischen Fonds für regionale Entwicklung (EFRE) gefördert. Ein Schwerpunkt der Projektarbeit des Kreises Lippe liegt auf nachbarschaftlich-ehrenamtlichen Hilfestrukturen, zur Stärkung informeller Pflegearrangements.

Obwohl Seniorinnen und Senioren bereits durch zahlreiche Initiativen im Kreis Lippe hinsichtlich verschiedenster Anliegen unterstützt werden, gibt es nur wenige digitale Angebote, die es ermöglichen, den Alltag selbstständig und durch digitale Angebote zu erleichtern. An diesem Punkt setzt der digitale Dorfhelfer-Kanal „Hilf mit“ an, der an die bereits bestehende Kommunikationsplattform „DorfFunk“ im Kreis Lippe angegliedert wird. „Hilf mit“ wird zur Erprobung in den zwei Projektmodellorten Detmold und Lügde im Kreis Lippe implementiert. Beide Gebietskulissen unterscheiden sich hinsichtlich ihrer Einwohnerzahl und Service-Angebote für Seniorinnen und Senioren. Mit fast 75.000 Einwohnern ist die Stadt Detmold die bevölkerungsreichste der lippischen Kommunen. Überdies verfügt sie über ein großes Service-Angebot für ältere oder pflegebedürftige Menschen und beheimatet viele sozial ausgerichtete Angebote. In der Landschaftskulisse des Kreises Lippe ist die Stadt Lügde den kleineren Kommunen zuzuordnen. Mit etwa 9.200 Einwohnern macht Lügde einen Teil von 2,66 % der lippischen Bevölkerung aus. Das Potential nachbarschaftlicher Hilfestrukturen mit dem digitalen Dorfhelfer-Kanal wird durch das Projekt work & care evaluiert und kann anschließend in anderen Kommunen des Kreises Lippe implementiert und verstetigt werden.

Funktionsdarstellung des digitalen Dorfhelfer-Kanals

Der DorfFunk ist die digitale Kommunikationszentrale der Region Kreis Lippe. Bürgerinnen und Bürger können zu den verschiedensten Angelegenheiten schnell und digital miteinander in Kontakt treten.

Der DorfFunk besteht aus zwei Bestandteilen: Auf einer Dorf- oder Gemeindewebseite können Engagierte Informationen über die Ortsteile, Vereine und Aktuelles und Veranstaltungen bereitstellen. Online abrufbar für alle Interessierten. Somit können die Nutzer sich über Neuigkeiten und Veranstaltungen seitens der Kommunen und Vereine informieren lassen. Sie haben aber auch die Möglichkeit selbst aktiv zu werden: Es ist jederzeit möglich, sich selbst als Autor für das Verfassen von Beiträgen auf der Ortswebseite zu engagieren.

Zweiter Bestandteil des DorfFunks ist die DorfFunk-App. Mit der DorfFunk-App kann man sich in seinem Wohnort und anderen Ortsteilen und Städten vernetzen. Dabei werden andere digitale Einzellösungen „durchbrochen“, denn bei der Installation der „DorfFunk“-App wird nicht nur der Heimatort ausgewählt, sondern auch die sogenannte „Empfangsstärke“. Damit ist es dann möglich nicht nur die Informationen aus dem Heimatort zu erhalten, sondern auch von den Nachbargemeinden. Neben einer Tauschbörse über die Funktionen „Biete“ und „Suche“ können Nutzer zum Beispiel Gegenstände verkaufen, erwerben oder verleihen.  Der „Plausch“-Bereich der App bietet die Möglichkeit sich jederzeit sicher miteinander auszutauschen. Über die Gruppenfunktion können themenspezifische und teilweise geschlossene Gruppen erstellt werden, so dass nicht jeder Nutzer die Nachrichten lesen kann.

Die neue Funktion „Hilf Mit“ bietet die Möglichkeit, Nachbarschaftshilfe zu digitalisieren und ist besonders für ältere und pflegebedürftige Menschen ein konstantes Angebot, sich digital Unterstützung zu suchen bzw. können die Nutzer Unterstützung für Pflegebedürftige anbieten. So können gegenseitige Hilfeleistungen, wie beispielweise eine Mitfahrgelegenheit, Hilfe bei der Gartenarbeit oder Hilfe bei Alltagsaufgaben, angeboten und gesucht werden. Damit werden neben den Pflegelbedürftigen selbst auch pflegenden Angehörige entlastet, da nicht alle Bedarfe durch Familienmitglieder oder ambulante Pflegedienste abgedeckt werden können.

Die beiden Bilder zeigen reale Beiträge der Funktion „Hilf Mit“. Ein Hilfsangebot wird über die Position „Mach ich“ eingestellt und ein Gesuch über der Position „Brauch ich“. Der Nutzer hat die Möglichkeit, direkt unter den Beitrag „mitzufunken“, um so die Vernetzung schnell und unkompliziert zu beginnen. Eine weitere Besonderheit der Nutzung ist, dass das Angebot oder das Gesuch auch nur exklusiv für das jeweilige Dorf angeboten werden kann, so dass wirklich nur diejenigen, die das Angebot auch nutzen können informiert werden.

Der Dorfhelfer-Kanal bietet insgesamt pflegebedürftigen oder älteren Menschen und ihre Angehörigen eine einfach und konstante digitale Lösung, um sich im Bereich der nachbarschaftlichen Unterstützung zu vernetzen und langfristig zu entlasten.

Weiterentwicklung, Chance für die Zukunft? Implikationen? Veränderungen? Ausblick?

Der digitale Dorfhelfer-Kanal bietet Menschen unabhängig ihrer demographischen und sozialen Merkmalen die Möglichkeit, sich digital und wohnortnah zu vernetzen um konkrete Hilfsanfragen an die Nachbarschaft zu stellen, oder aber auch Hilfsangebote zu platzieren und andere Menschen zu unterstützen. Natürlich ist nachbarschaftliches Potential begrenzt und soll nicht als Ersatz für professionelle und hauptamtliche Hilfe angesehen werden und ist begrenzt. Die Chance eine App zur Koordinierung der Nachbarschaftshilfe zu nutzen begünstigt aber den Kompetenzerwerb und die Selbstständigkeit von Seniorinnen und Senioren, ihren eigenen Alltag zu aktiv (weiter) zu gestalten. Sie sind Entscheidungsträger in der Fragestellungen, ob und welche Unterstützung sie benötigen und können ohne Fremdhilfe in den Kontakt mit Menschen aus ihrer Nachbarschaft treten. So trägt „Hilf mit“ zur Stärkung des gesellschaftlichen Zusammenhalts im ländlichen Kreis Lippe bei, da Unterstützungspotentiale in den eigenen Wohnort überführt werden. „Hilf mit“ offeriert älteren Menschen die Chance, in einem sicheren digitalen Umfeld anderen Menschen in der Nähe zu begegnen, die man ohne den Digitalisierungsprozess nicht kennengelernt hätte, deren Unterstützung den eigenen Alltag aber um ein Vielfaches erleichtern kann. In Kooperation mit weiteren regionalen Akteuren wie den ansässigen Volkshochschulen werden Kurse angeboten, die Seniorinnen und Senioren befähigen, den Umgang mit dem digitalen Dorfhelferkanal „Hilf mit“ zu erlernen. Die Befähigung, aber auch die Erhöhung der Bekanntheit des digitalen Kanals und schließlich auch die Akzeptanz seitens der Zielgruppen sind Potentiale zur Verbesserung und Verstetigung des digitalen Angebots.

 

Quelle: Beitrag Forum Seniorenarbeit NRW